Plötzlich wieder in Deutschland — Eine weltwärts Freiwillige berichtet vom abrupten Corona Abbruch, was sie alles gelernt hat und von Akrobatik-Stunden im One Love Children’s Home in Tuba, Ghana

17.9.21

Plötzlich wieder in Deutschland — Eine weltwärts Freiwillige berichtet vom abrupten Corona Abbruch, was sie alles gelernt hat und von Akrobatik-Stunden im One Love Children’s Home in Tuba, Ghana

Corona - Alles ist anders

Die Corona-Krise hat nicht nur die ganze Welt auf den Kopf gestellt, sondern auch ganz konkret unsere Arbeit massiv beeinträchtigt. Anstatt nach 12 Monaten, mussten wir unsere weltwärts Freiwilligen bereits nach 6 Monaten wieder zurück nach Deutschland holen.

An dieser Stelle möchten wir unseren weltwärts Freiwilligen herzlich für ihren Einsatz bei unseren Partnern in Ghana danken. Aminu sagt DANKE!

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Abrupter Abschied von Freunden*innen und Kollegen*innen - Flughafen Accra


Anstatt 8 Freiwillige, wird dieses Jahr nur 1 Freiwilliger nach Ghana ausreisen, vorausgesetzt, eine Ausreise wird von oberster Stelle genehmigt. Bis dahin bringt sich Felix L. aktiv in unsere Arbeit hier in Deutschland ein und hilft uns auf der Suche nach neuen Sponsoren und stellt Förderanfragen bei den verschiedensten Förderstellen für unsere Aminu Initiative.

Alles ist anders durch Corona - Aktuell hoffen wir darauf, dass zumindest der Jahrgang 2021 wieder regulär den Dienst in Ghana antreten kann.

Wer Lust auf tägliche Bilder und kleine Stories zu unserer Arbeit hat, ist herzlich eingeladen uns auf Instagram zu folgen:

https://www.instagram.com/aminuorg/


Viele Spaß beim Lesen!


Bericht von unserer weltwärts Freiwilligen Veronika K.

Heute berichtet Veronika darüber, wie es ihr mit dem abrupten Abbruch ihres Freiwilligendienstes in Ghana erging und wie sich die Wiedereingewöhnung in Deutschland anfühlte bzw. anfühlt.


Auf einmal wieder Deutschland

Ab September 2019 habe ich meinen einjährigen Freiwilligendienst in Ghana, Afrika begonnen. Dass dieser aber nur ein halbes Jahr andauern wird, hätte zu diesem Zeitpunkt keiner erwartet. Ändern konnten jedoch weder meine Mitfreiwilligen und ich, noch unsere Entsendeorganisation die Tatsache, dass wir Ghana und unsere liebgewonnenen Kinder in unseren Projekten innerhalb von drei Tagen verlassen mussten. Grund dafür war, wie zu erwarten, COVID-19, das sich Mitte März 2020 auch in Ghana anfing auszubreiten.

Mich traf diese Nachricht wie ein Schock, der schlagartige Trauer auslöste. Ich hatte mich in eine wundervolle zweite Heimat hineingelebt, unvorstellbar lebensfrohe und fremdenfreundliche Menschen kennengelernt und vor allem viel gelernt.


In der Tat ein Lerndienst

Im Vergleich zur Schulzeit habe ich in diesen wenigen Monaten mich selbst richtig kennengelernt und was mir in meinem zukünftigen Leben wichtig ist. Attribute, die ich mir über die Zeit von einigen Ghanaer*innen abgeschaut habe, sind zum Beispiel Ruhe, Gelassenheit und Spontanität. Dazu muss ich sagen, dass mir erst, als ich wieder in Deutschland war, überhaupt aufgefallen ist, dass ich das alles mitgenommen habe. Denn ich habe nicht vom einen Tag auf den anderen beschlossen, mir jetzt speziell irgendwelche Charakterzüge anzueignen. Nein, es war vielmehr unterbewusst, weil mir die Menschen, denen ich in Ghana begegnet bin, all diese Dinge vorgelebt haben.

Durch die Anpassung fiel mir im Laufe der Zeit einiges leichter: das Kleiderwaschen mit der Hand, das Kochen mit Feuer unter freiem Himmel, das Verstehen der Kinder, nicht nur sprachlich, sondern auch emotional, und natürlich die Wertschätzung einer Kultur, die ich vorher noch nicht kannte.

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Eine typische Feuerstelle auf der das Essen gekocht wird


Akrobatik im One Love Children’s Home

Ein Erlebnis ist mir besonders im Kopf geblieben, durch das ich gemerkt habe, dass mir die ghanaische Denk- und Handelsweise besser gefällt, als die deutsche. Ich erinnere mich an die Situation, als ich dem Schulleiter meine Projektidee eines Kinderzirkus vorschlug. Er war begeistert und wir besprachen noch ein wenig die Durchführung und die nötigen Materialien. Am Ende des Gesprächs fragte er mich: „Also fängst du am Donnerstag an?“ Und es war Dienstag. Ich konnte nicht nein sagen, bereute es im Nachhinein aber auch nicht. Denn warum hätte ich erst in einer oder zwei Wochen anfangen wollen? Ich wusste bereits, wie ich mir das Projekt vorstellte und motiviert war ich auch.

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Akrobatik mit Veronika


Ich war es nur nicht gewohnt, so gut wie ohne große Vorausplanung sofort etwas auf die Beine zu stellen. Es gab keine Informationszettel für die Kinder oder Formulare für die Eltern. Alleine die Motivation der Kinder und meine Spontanität waren gefragt und es hat funktioniert. Dieses eben beschriebene „Einfach Anpacken“ ist mir immer wieder aufgefallen. Ich glaube, dass ich vorher jemand war, der sehr gerne mit Sicherheit und Top-Planung gelebt hat, damit auch alles genau so läuft, wie ich mir das vorstelle. Aber in Ghana habe ich verstanden, dass genau diese Momente kleine Abenteuer sein sollten, die das Leben ein bisschen aufregender machen.

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Auch ohne perfekte Planung ein toller Erfolg


Probiers mal mit Gemütlichkeit - Ruhe und Gelassenheit in Ghana

Ich möchte noch erklären, warum auch Ruhe und Gelassenheit eine große Rolle für mich gespielt haben. Dabei geht es besonders um den allseits bekannten Zeitdruck. Zeitdruck? Ist in Ghana selten bekannt. Für ein Treffen ist möglicherweise eine Zeit oder ein Tag abgemacht, aber wenn etwas dazwischenkommt, ist das halt so. Du bekommst auch keine Ansage, wenn du zu spät kommst. „Zu spät“ gibt es eigentlich nicht wirklich. Viel größer ist die Freude, wenn du schließlich da bist und nicht mental abwesend, weil du dir über tausend andere Dinge Gedanken machst, die du noch erledigen müsstest. Im Grunde macht diese Theorie für mich auch mehr Sinn, denn es nimmt mir eine große Menge an Stress von der Seele, nicht von einem Termin zum nächsten hetzen zu müssen.

Da sich in Deutschland allerdings ein pünktliches Verhalten weitestgehend eingebürgert hat, musste ich mir leider die gelassene Zeiteinteilung wieder abgewöhnen.

Das waren jetzt ein paar Auffälligkeiten, die Ghana und Deutschland in der Kultur und Lebensweise unterscheiden. Offensichtlich sind aber auch die Unterschiede der Gerichte (z.B. Reis und Palmölsuppe, verhältnismäßig scharf gewürzt), Früchte (z.B. Papaya und Kokosnuss) und Klima (tropisch).


Rückkehrerschock und anfängliche Leere

Dementsprechend war für mich der plötzliche und unvorbereitete Kulturwechsel, wieder zurück nach Deutschland, nicht so einfach zu verarbeiten. In den ersten Tagen und Wochen im ausgangsgesperrten Heimatland plagte mich ein Gefühl von völliger Leere. Es war, als wäre ich zwischen zwei Welten festgesteckt und ohne Ahnung, wo ich mich sowohl physisch als auch psychisch befinden sollte.

Ich bekam sozusagen einen Kulturschock, nur eben von der mir eigentlich bekannten Kultur. Deutschland war still. Kein ständiges Hühnergackern oder Ziegenblöken von draußen, keine lauten Kinderstimmen, kein Sonnenschein, nicht einmal ein paar Menschen auf den Straßen.

Ich wurde aus einem fröhlich belebten Land in eine, im wahrsten Sinne des Wortes, kalte Zivilisation versetzt. Noch nie zuvor habe ich Nichts gefühlt. Von Zeit zu Zeit hat mir das sogar Angst gemacht. Als ich den Kontakt zu meinen Mitfreiwilligen und ghanaischen Freund*innen aufgenommen hatte, ging es mir ein wenig besser. Denn dadurch wusste ich, dass ich mit diesen Gefühlen nicht allein war.

Wir stärkten uns gegenseitig und versprachen uns, dass das nicht unser letzter Aufenthalt in Ghana gewesen ist. Schließlich haben wir eine zweite Heimat gefunden, in der immer ein Stück von unserem Herzen bleiben wird und die wir auch immer mit aller Kraft unterstützen werden.

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Veronika bleibt trotzallem optimistisch und ist bereit für die Rückkehr nach Ghana