3.9.20
Ein Bericht von unserem weltwärts Freiwilligen Jonas K.
Die Unterschiede zu einer deutschen Hochzeit sind enorm und fangen schon bei der Aufteilung der Gäste an. Es gibt nämlich zwei Klassen. Die „1.Klasse“ sitzt im Zelt an schön dekorierten Tischen und hat ein vielfältiges Buffet, während die „2.Klasse“ auf Klappstühlen ohne Tisch neben dem Zelt sitzt und das Standardgericht schlechthin, Reis mit Stew (Soße) bekommt.
Wer in welcher Klasse sitzt hat übrigens nichts damit zu tun wie nahe man dem Brautpaar steht, sondern hängt einzig und allein davon ab, ob man sich an den Dresscode (in diesem Fall weiß-rot) hält oder nicht. Da wir von diesem Dresscode nichts wussten war unser Platz auf den Klappstühlen. Das war allerdings gar nicht so schlecht, denn im Zelt wurde man richtig ins Programm eingebunden und von dem was da vor sich ging hatte ich überhaupt keine Ahnung.
Es war eine Mischung aus Konzert, Seminar und Club. Im Mittelpunkt stand nicht das Brautpaar, sondern ein Alleinunterhalter / Moderator, der durch den Abend geführt hat. Er hat abwechselnd für Stimmung gesorgt und die Gäste zur Ruhe aufgefordert. Aus dem nichts fand dann eine Verlosung von Handyguthaben statt. Bei einem weiteren Programmpunkt hat ein Professor das Wort Hochzeit erklärt, allerdings eher für Leute, die noch nie zuvor etwas von diesem Begriff gehört haben und das alles ziemlich emotionslos.
Nach dem offiziellen Teil wurde – wie soll es hier auch anders sein – getanzt, bevor um 20 Uhr alle Gäste kollektiv die Hochzeit verlassen haben. P.S: Wer da jetzt eigentlich geheiratet hat weiß ich auch nach der Hochzeit noch nicht – eingeladen wurden wir von der Nachbarin des Bräutigams.
Eine ghanaische Braut aus Fadama, einem Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra
Mein neuer Heimatort heißt Tuba, es gibt einen alten und einen neuen Teil. Das alte Tuba erfüllt viele Vorstellungen, die man von einem afrikanischen Dorf hat. Kleine ungeordnete Häuser mit schmalen Gassen und Hinterhöfen, auf denen gekocht wird. Dieser Teil war bis vor knapp zwanzig Jahren ein abgelegenes Dorf ohne richtige Straßenanbindung. Etwas abseits vom Dorf entstanden zu dieser Zeit abgelegen die ersten Gebäude der Günter Frey International School. Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen.
In alle Richtungen sind moderne Siedlungen entstanden, soweit das Auge reicht. Die Gebäude im neuen Tuba sind aus Stein und teilweise auch groß und schön. Es wird nach wie vor an jeder Ecke gebaut, bis ich in acht Monaten Tuba verlasse, werden wohl auch die letzten freien Flächen bebaut sein.
Rund um unser One Love Children’s Home wird gebaut. Um unser Grundstück zu schützen, auf dem sich noch das Jungenhaus und ein Guesthouse befindet, wurde vor kurzem eine Mauer errichtet.
Hier im Ort sieht man hautnah, in welchem Wandel sich Ghana befindet. Mir fällt es sehr schwer eine genaue Beschreibung abzugeben, ob Tuba nun ein Dorf ist oder eine Stadt. Es ist weder das Eine so richtig, noch das Andere. Tuba hat definitiv den Charakter eines Dorfes. Jeder kennt jeden und es ist ziemlich ruhig und überschaubar (im Vergleich zum Stadtzentrum). Mit Dorf verbindet man eigentlich auch „klein“. Das ist hier jedoch definitiv nicht der Fall, es ist gefühlt ein Dorf ohne Grenzen.
Der Mittelpunkt des Dorflebens ist der Fußballplatz, auf dem (natürlich) sehr viel gekickt wird, aber er dient auch als allgemeiner Treffpunkt, Verkaufsort, Kochstelle, Straße etc. Mein Zimmer liegt zwischen diesem Fußballplatz und dem Innenhof der Schule, damit ist mir den ganzen Tag Action garantiert. Das Zimmer liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Klassenzimmern. Wenn ich in der siebten Klasse Unterricht habe, beträgt mein Arbeitsweg keine zehn Meter.
Oben der Balkon, der zum Zimmer unseres Freiwilligen Jonas gehörte. Rechts im Bild ist unser Gründer und 1. Vorsitzender Amin Zaaki zu sehen. In der Mitte vor dem Gebäude, welches Teil der Günter Frey International School in Tuba, Ghana ist, unser Project Manager Ayuba Mamadu, der gleichzeitig die Funktion des School Admins inne hat.
Wasserengpässe, an die man sich gewöhnt
Ich habe ein eigenes Bad, allerdings ist fließendes Wasser bei mir im Zimmer eher selten. Manchmal wird das Wasser für mehrere Tage abgestellt. Offiziell wegen Baumaßnahmen, inoffiziell hat bei Wasserengpässen die Versorgung reicherer Stadtteile eine höhere Priorität. Aber selbst, wenn es im Ort Wasser gibt, kommt nicht immer was davon bei mir im Zimmer an. Ein Bad ohne Wasser, erfüllt die deutschen Vorstellungen an ein Bad dann doch nur bedingt. Im Bad steht ein großer Trog und man duscht sich mit einem Eimer. Ist der Trog leer, muss man ihn aus dem Wassertank im Hof füllen, zumindest bis auch dieser leer ist. Je länger das Wasser ausfällt, desto länger wird auch der Weg zur nächsten Wassersammelstelle. Dennoch muss ich sagen, dass man sich auch daran gewöhnen kann.
Ich teile mein Zimmer mit dem jüngsten Sohn des Organisationsleiters. Es funktioniert sehr gut zwischen uns Beiden. Wir lachen viel zusammen und unterstützen uns gegenseitig, zum Beispiel bei Hausarbeiten, die wir gemeinsam erledigen. Aber auch die Diskussionen, bei denen die Unterschiede zwischen den Kulturen offensichtlich werden, sind sehr interessant (Bedeutung der Religion, Rolle von Familie und Freunden, Hierarchien).
Ein gemeinsames Thema haben wir auch, wenig überraschend ist es „Fußball“. Viele haben den großen Traum Profifußballer zu werden.
Traum vieler Jungs in Ghana - Fußballstar. Und wenn es damit nichts wird, dann macht Fußball trotzallem Spaß.
Am 7. November beginnt für ihn die Schule, danach wohne ich allein. Einsam werde ich mit Sicherheit aber trotzdem nicht sein, Treppen runter und ich bin mitten im Geschehen.